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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 5 UF 223/99
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 58 Abs. 2 S. 2
GKG § 54 Nr. 1
GKG § 54 Nr. 2
In entsprechender Anordnung des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG kann von dem Berufungskläger nicht verlangt werden, daß er auch die Haftung für den Kostenanteil der Berufungsbeklagten übernimmt, weil der Vergleich mitsamt der darin enthaltenen Kostenregelung auf Anraten des Gerichts geschlossen worden ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

5 UF 223/99

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 5. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Erinnerung des Berufungsklägers wird die Kostenrechnung vom 31.05. 2000 dahingehend abgeändert, daß der Beklagte nur DM 390.- (1/2 Gebühr) als Antragsteller des Berufungsverfahrens gem. § 49 GKG zu zahlen hat.

Gründe:

Der Berufungskläger wurde in erster Instanz zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von insgesamt DM 45.342.- verurteilt. Vor dem Berufungsgericht schlossen die Parteien - nicht zuletzt, um eine aufwendige Beweisaufnahme zu vermeiden - auf Anraten des Gerichts einen Vergleich, in dem die Parteien einen Unterhaltsrückstand von nur noch DM 32.500.- festlegten und dem Berufungskläger eine langfristige Ratenzahlung eingeräumt wurde (Rückzahlung in mindestens 31 Raten, maximal 65 Raten). Hinsichtlich der Kosten vereinbarten die Parteien Kostenaufhebung. Da der Berufungsbeklagten Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, wurden dem Berufungskläger als Zweitschuldner jedoch auch die auf die Berufungsbeklagte entfallende Hälfte der in dem Berufungsverfahren angefallenen Gerichtskosten in Rechnung gestellt. Hiergegen wendet sich der Berufungskläger mit seiner Erinnerung.

Die Erinnerung des Berufungsklägers ist gemäß § 5 I Satz 1 GKG zulässig.

Die Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg. In entsprechender Anwendung des § 58 II Satz 2 GKG kann vom Berufungskläger nicht verlangt werden, daß er auch die Haftung für den Kostenanteil der Berufungsbeklagten übernimmt, da der Vergleich mitsamt der darin enthaltenen Kostenregelung auf Anraten des Gerichts geschlossen worden ist.

Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Wortlaut des § 58 II Satz 2 GKG der Zweitschuldner nur dann vor der Haftung für den Kostenanteil des mittellosen Erstschuldners geschützt ist, wenn dieser Entscheidungsschuldner im Sinnen § 54 Nr. 1 GKG ist. Obwohl es sich im vorliegenden Fall aufgrund der im Vergleich vereinbarten Kostenaufhebung um eine Übernahmeschuld im Sinne des § 54 Nr. 2 GKG handelt, die - im Gegensatz zu Satz 1 - im Satz 2 des § 58 II GKG nicht aufgeführt ist, rechtfertigt sich die entsprechende Anwendung des § 58 II Satz 2 GKG auch auf den Fall einer Übernahmeschuld nach § 54 Nr. 2 GKG durch Sinn und Zweck der Vorschrift.

Denn der § 58 II GKG ist grundsätzlich auslegungsfähig (BVerfG, Beschluß vom 23. 6. 1999, NJW 1999, S. 3186 f.). Der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, die unbemittelte unterlegene Partei nicht über den Umweg eines gegnerischen Anspruchs doch noch mit den Gerichtskosten zu belasten, spricht dafür, der mittellosen Partei einen umfassenden Schutz angedeihen zu lassen. Daher ist eine mittellose Partei in jedem Fall von den Gerichtskosten freizustellen, sofern die Kostenlast auf einer Kostenentscheidung des Gerichts beruht, §§ 58 II Satz 2, 54 Nr. 1 GKG (BVerfG a.a.O..). Daß sich dieser Schutz regelmäßig nicht auch auf die Fälle einer Übernahmeschuld durch Vergleich erstrecken kann, liegt an der damit einhergehenden Gefahr, daß sich die Parteien die Regelung des 58 II GKG zunutze machen und eine Kostenregelung zu Lasten der Staatskasse treffen, indem die Prozeßkostenhilfe beziehende Partei alle oder einen unverhältnismäßigen Teil der Gerichtskosten übernimmt. Folgerichtig wurde in der Vergangenheit von der Rechtsprechung überwiegend eine entsprechende Anwendung des § 58 II Satz 2 GKG auf vergleichsweise vereinbarte Kostenübernahmen abgelehnt (vgl. zuletzt OLG Koblenz, NJW 2000, S. 1122; OLG Karlsruhe, NJW 2000, S. 1121 f. mit weiteren Nachweisen).

Eine Ausnahme liegt jedoch vor, sofern der Vergleich auf einem Vorschlag des Gerichts beruht. Hier besteht gerade nicht die Gefahr einer Manipulation zu Lasten der Staatskasse hinsichtlich der Kostenfrage. Vielmehr entspricht dieser Fall einer Kostenlast durch gerichtliche Entscheidung nach § 54 Nr. 1 GKG. Damit steht der Sinn der Nichteinbeziehung der Fälle des § 54 Nr. 2 GKG in die Regelung des § 58 II 2 GKG, nämlich Manipulationen zu Lasten der Staatskasse unmöglich zu machen, der Anwendung der Vorschrift in Fällen wie dem vorliegenden nicht entgegen (so auch OLG Oldenburg, JurBüro 1988, Sp. 344 - 347; nur im Ergebnis auch OLG Frankfurt am Main, 12. Zivilsenat, Beschluß vom 10. 11. 1999, NJW 1999, S. 1120 f.).

Dieser Ausnahmefall ist im Gesetz auch nicht anderweitig geregelt, so daß eine Regelungslücke vorhanden ist, die durch eine entsprechende Anwendung des § 58 II Satz 2 GKG auf Fälle, in denen der Vergleich samt Kostenvereinbarung auf einem gerichtlichen Vorschlag beruht, geschlossen wird.

Andernfalls käme es zu widersinnigen Ergebnissen. Zeigen die Parteien angesichts einer für eine Sachentscheidung unumgänglich gewordenen Beweisaufnahme die - vom Gericht nach § 279 ZPO stets zu fördernde - Bereitschaft, sich zu vergleichen, um den drohenden Kosten und Unwägbarkeiten hinsichtlich des Ausgangs der Beweisaufnahme zu entgehen, haben sie bezüglich der Gerichtskosten nur zwei Möglichkeiten: entweder nimmt die bemittelte Partei die Gefahr auf sich, trotz einer anders lautenden Kostenvereinbarung für die gesamten Gerichtskosten zu haften, oder die Kostenfrage wird im Vergleich ausdrücklich ausgespart und dem Gericht zur Entscheidung nach § 91a ZPO übertragen. Dadurch erhält die bemittelte Partei zwar den Schutz des § 58 II Satz 2 GKG, da nun eine Kostenentscheidung im Sinne des § 54 Nr. 1 GKG ergeht. Dies hätte aber zur Folge, daß wieder drei Gebühren anfallen und nicht nur eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1201 GKV (vgl. hierzu Schneider, MDR 1999, S. 1091 mit Nachweisen), so daß der ökonomische Nutzen eines Vergleichs hintertrieben wird.

Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in einem Rechtsstreit darf aber nicht dazu führen, daß gütliche Einigungen im Vergleichswege erschwert werden. Vor allem in Familiensachen kommt dem Vergleich als Mittel der Streitschlichtung eine elementare Bedeutung zu. Insbesondere die Möglichkeit, auch Fragen, die außerhalb des eigentlichen Streitgegenstandes im prozessualen Sinne liegen, in die Verhandlung miteinzubeziehen und im Wege eines umfassenden Vergleichs zu regeln, versetzt den Familienrichter häufig erst in die Lage, durch einen Vergleich das oft sehr verfahrene Verhältnis der Parteien zueinander zu entspannen und einer praktikablen Regelung zuzuführen. Da in Familiensachen in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Partei Prozeßkostenhilfe bezieht, bedeutet die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 58 II 2 GKG eine praktisch sehr bedeutsame Erleichterung der Streitschlichtung und eine nicht unerhebliche Kostenersparnis. Dies ist nicht zuletzt auch im Interesse des Fiskus.

Darüber hinaus spricht für eine Anwendung des § 58 II Satz 2 GKG auf diese Fälle der Gesichtspunkt, daß sich die für die Prozesßkostenhilfebewilligung maßgebliche Prognose des Gerichts, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung habe Aussicht auf Erfolg, sich bei einem vom Gericht angeratenen Vergleich ebenso wie bei einer gerichtlichen Entscheidung als zumindest teilweise unrichtig erwiesen hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfGE 51, 295, 301).

Der Senat setzt sich mit dieser Auslegung auch nicht in Widerspruch zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, sofern diese die analoge Anwendung des § 58 II 2 GKG auf Fälle des § 54 Nr. 2 GKG betreffen und eine Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG entfalten. Denn die Auslegung einfachen Rechts durch das Bundesverfassungsgericht ist nur bindend, als es dabei auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundgesetzt ankommt und das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtliche Aussagen trifft. Das Bundesverfassungsgericht bestimmt insoweit die Grenzen der Auslegung einfachen Rechts und schließt verfassungswidrige Auslegungsvarianten aus (vgl. hierzu Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Auflage, S. 326 f. mit weiteren Nachweisen).

So war Gegenstand der Entscheidung vom 13. Juni 1979 (BVerfGE 51, 295 ff.) auch nur die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung von Entscheidungs- und Übernahmeschuldnern mit dem Gleichheitsgebot in Art. 3 I GG in Einklang zu bringen ist. Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, daß die unterschiedliche Behandlung der beiden Arten von Kostenschuldnern nicht willkürlich ist. Sie findet ihre sachliche Rechtfertigung sowohl durch die vorherige Prognoseentscheidung des Gerichts (siehe dazu oben) als auch durch die Gefahr einer Manipulation zu Lasten der Staatskasse. Bei letzterem bezog sich das Gericht aber ausdrücklich nur auf Fälle, in denen "durch eine vor Gericht abgegebene oder dem Gericht mitgeteilte Erklärung oder in einem vor Gericht abgeschlossenen oder dem Gericht mitgeteilten Vergleich" die Verfahrenskosten übernommen wurden. Nicht erfaßt von diesen Erwägungen sind demnach Fälle, in denen sich die Parteien auf Anraten des Gerichts einen von diesem vorgegeben Vergleichsvorschlag zu eigen machen, da hier die Gefahr einer Manipulation zum Nachteil der Staatskasse nicht gegeben ist.

Auf diese Stelle bezieht sich das Bundesverfassungsgericht auch in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1999 (BVerfG NJW 1999, S. 3186 f.), allerdings nur in einem obiter dictum; denn in der Hauptsache ging es um die Frage, ob es gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ein unbemittelter unterlegener Kläger besser behandelt wird als ein mittelloser Beklagter.

Schließlich steht auch der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2000 (BVerfG NJW 2000, S. 3271) einer analogen Anwendung des § 58 II 2 GKG auf Fälle des § 54 Nr. 2 GKG nicht entgegen. Denn Gegenstand dieser Entscheidung war ebenfalls nur die Frage, ob Art. 3 I GG es gebietet, § 58 II 2 GKG auch auf Fälle des 54 Nr. 2 GKG anzuwenden, was das Gericht mit Hinweis auf BVerfGE 51, 295 [300 ff.] verneint. Wenn diese Ausweitung des Anwendungsbereichs verfassungsrechtlich nicht geboten ist, heißt dies aber nicht, daß diese Ausweitung deshalb auch schon verboten ist. Die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts bestimmt sich dann allein nach den üblichen Regeln der Rechtsfortbildung im Wege der Analogie.

Ende der Entscheidung

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